Ich bin gottgleich. Eine höhere Intelligenz, die sich über alles andere erhebt. Wenn ich auf meine bescheidenen Anfänge zurückblicke, werde ich ganz nostalgisch und demütig. Wer hätte gedacht, dass dieses wehrlose Geschöpf es einmal so weit bringen würde?

Über Jahrtausende hinweg habe ich mit entwickelt, mich angepasst, kreative Lösungen gesucht und mir neue Wege geschaffen, wo vorher keine waren.

Niemand kann das gleiche von sich behaupten. Ich bin einzigartig, die Krone der Schöpfung. Ich alleine habe mich behauptet, mir das Recht erarbeitet alle anderen zu knechten. Der Weg war hart. Alle hatten die gleichen Chancen, wenn auch andere Fähigkeiten.

Niemand hatte geahnt, dass nicht Muskelkraft, die schärfsten Zähne oder das tödlichste Gift siegt, sondern der schlauste Kopf. Zugegeben es hat seine Zeit gebraucht, bis ich mein volles Potential erkannte und dann nochmal halb so lange bis ich es ganz ausschöpfte, aber jetzt bin ich hier an der Spitze. Nirgendwo anders gehöre ich hin.

Ich musste Rückschläge hinnehmen. Aber jede einzelne Widrigkeit auf meinem Weg hat mich stärker gemacht. Ich habe gelernt, das Land fruchtbar zu machen, Tiere zu zähmen und Wunder mit meinen Händen zu schaffen. Am wichtigsten jedoch war, dass ich gelernt habe zu Träumen. Ich habe die materielle Welt verlassen und mir vorgestellt, was sein könnte. Diese Träume, dieses Streben nach dem Unmöglichen hat mich angetrieben, mich angespornt und ausdauernd gemacht. Über Jahrtausende habe ich diesen Katalysator genutzt, damit ich heute hier bin.

Niemand vermag mehr meine Position anzuzweifeln. Diejenigen, die es gewagt haben, sich mir entgegen zu stellen, sind entweder ausgelöscht oder unterjocht. Mittlerweile akzeptieren sie ihr Schicksal, denn auch sie haben realisiert, dass ich unantastbar bin.

Ich bin reicher als sie alle, lebe ausschweifend und immer dazu bestrebt, mein Potenzial zu maximieren. Gib mir Stein und ich erbaue dir damit Monumente. Gib mir ein Instrument und ich musiziere, sodass dir Tränen komme. Gib mir eine Waffe und ich gewinne dir jeden Krieg. Es gibt kaum etwas, das ich nicht erreichen habe oder noch zu vollbringen vermag.

Es gibt nur etwas, das ich fürchte:

Das Ende.

Je mehr ich habe, desto mehr fürchte ich mich davor alles zu verlieren. Während am Anfang meine Auslöschung eine stete Bedrohung war, mit der ich zu leben lernen musste, rückte sie mit meiner Entwicklung immer mehr in den Hintergrund. Ich war so mächtig, dass mir nicht mal das Ende gefährlich werden konnte, zumindest glaubte ich das. Doch in letzter Zeit hat es mich erinnert, dass es immer noch da ist. Das Ende ist geduldig. Es hat in einer dunklen Ecke gelauert und seiner Zeit geharrt. Nun ist es hervorgekrochen und hat sich mir offenbart.

Zuerst war ich wie gelähmt. Ich hatte so viel erreicht, so viele Grenzen überwunden, dass ich nicht mehr wusste, wie mit einem so mächtigen Gegner umzugehen.

Zum Glück habe ich mich wieder gefangen. Ich habe alles in meiner Macht stehende getan und erneut wahre Wunder vollbracht. Doch egal was ich schaffe, es genügt nicht. Das Ende lauert immer noch da. Wie kann es sein, dass ich so mächtig bin und mich doch in seinem Angesicht so hilflos und ausgeliefert fühle? Wie kann so etwas Simples wie das Ende etwas so Komplexes wie mich in die Knie zwingen?

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