Was hatte er getan? War er wirklich so schwach gewesen? Wie konnte ich nur!

Kieran starrte auf den von einem Laken halb verdeckten Frauenkörper.

Imoshen lag auf dem Bauch, ihr Gesicht war ihm zugewandt. Schlafend sah sie so unschuldig aus. Kierans Wangen begannen jedoch zu brennen, als er sich daran erinnerte, was sie letzte Nacht mit ihm gemacht hatte. Das war alles andere als unschuldig!

Sein Blut kam erneut in Wallung, als er an die leidenschaftlichen Stunden dachte. Sein Fleisch war so schwach. Dies war kein Geheimnis und wurde deshalb den jungen Magiern von der ersten Stunde im Turm an eingebläut.

Aber mein Geist hätte stärker sein müssen! Wofür waren denn all die Meditationsstunden und Fastenwochen gut gewesen? 10 Jahre lang hatte er studiert. Nun war er kurz vor seinem Masterabschluss. Und in einer Nacht habe ich alles weggeworfen? Für was?

Für etwas wundervolles. Meldete sich eine neue Stimme in ihm. Komm schon, das war es wert gewesen, oder?

Niemals!

Aber Kieran wusste, dass das eine Lüge war. Die Emotionen, die Anziehung, die Spannung und die sehnliche Erlösung als sie eins wurden – dies war unbezahlbar gewesen.

Nicht unbezahlbar. Der Preis war meine  Magie.

Wer war er denn ohne seine Magie? Niemand. Er hatte alle Titel und weltlichen Ansprüche aufgegeben, als er sich entschied ein Magier zu werden. Damals war er sich der Konsequenzen nicht bewusst gewesen. Keuschheit schien kein Problem für einen Jungen von 10 Jahren. Mädchen waren eh alle doof.

Und es wäre auch alles gut gekommen, hätte er Imoshen nie getroffen. Die Hexe von der anderen Seite der Welt, die ihm die Sinne verdrehte.

Hass loderte in ihm auf. Sie war schuld. Sie und ihr begehrlicher Frauenkörper. Was konnte er schon tun, wenn sein Fleisch so schwach war? Sie sollte dafür büssen! Er wusste, was das Kollegium mit ihr tun würde. Die letzte Verbrennung am Pfahl war zwei Generationen her, aber die Lektion war wohl für alle nötig. Für ihn und alle anderen angehenden Magier, die ihre eigene Schwäche noch nicht kannten.

«Ihr Männer seid so voraussichtlich» Imoshens Stimme riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.

Sie hatte sich aufgesetzt. Das Laken lag vergessen auf dem Bett. Ihr offenes Haar ergoss sich wie ein Wasserfall über ihre Schultern. Kieran trank von ihrer Schönheit wie ein verdurstender, der noch nie Wasser gekostet hatte.

Die Hexe sah das Begehren in ihm aufflackern und kroch zu ihm herüber. Keck setzte sie sich auf seinen Schoss.

«Denkst du wirklich, ich würde mich einfach so von dir auf den Scheiterhaufen führen lassen? Euer Bild von Frauen ist so schrecklich verzogen. Aber ich kann dir wohl keinen Vorwurf machen. Diese alten Säcke in ihrem Turm holen euch grad früh genug von euren Müttern weg, bevor diese euch die Wahrheit lehren können.»

«Wie kannst du meine Gedanken lesen? Dafür brauchst du doch Magie!»

«Ah ich sehe schon, du bist einer der ganz schlauen. Natürlich brauche ich dafür Magie. Magie verschwindet nicht, nur weil man in den Laken getanzt hat.»

«Aber die Meister sagen, dass wir keusch sein müssen, weil wir sonst unsere Kräfte verlieren.»

Imoshen sah ihn ernst an und fuhr liebevoll durch sein Haar. «Es ist mir echt unerklärlich, warum sie solche Behauptungen machen. Keuschheit kann ein Katalysator sein. Aber verglichen mit den Energien der Passionen liegt sie auf den hinteren Rängen.»

Er sah sie zweifelnd an.

«Du glaubst mir nicht. Dann versuch es doch.»

Das schien ein sinnvoller Vorschlag. Kieran machte Anstalten die nackte Frau von seinem Schoss zu heben.

«Nein, nein, ich bleibe hier, mein Lieber.»

«Aber so kann ich mich nicht konzentrieren!»

«Genau das hat man versucht dir einzutrichtern. Versuch es trotzdem.»

Er wollte noch mehr protestieren, aber ihr Blick war einschüchternd genug.

Ergeben schloss er die Augen. Alles was er fühlen konnte, war ihr angenehmes Gewicht, die Wärme ihrer Haut, ihr einzigartiger Duft.

«Unterdrück das Verlangen nicht. Akzeptiere es und dring weiter vor», flüsterte sie in sein Ohr.

Ihre Stimme ließ die Haare an seinem Körper aufstehen. Das aufsteigende Verlangen in ihm machte ihn wahnsinnig.

«Du bist mehr als ein Körper. Was kommt nach der Lust?»

Kieran beruhigte sich mit einem tiefen Atemzug und sah in sich hinein. Panik stieg sofort in ihm herauf, als er sein blaues Feuer, die Verkörperung seiner Magie nicht sofort sah.

«Sie ist weg! Da ist nichts», keuchte er erschrocken.

«Schau weiter, gib nicht sofort auf!»

Imoshens Bestimmtheit drang zu ihm durch.

Mit Mühe und Not entwand er sich dem erstickenden Griff der Angst und konzentrierte sich.

«Erinnere dich daran, wie du das erste Mal nach deiner Magie gesucht hast. Damals wusstest du noch nicht, wie sie aussieht und wie sie sich anfühlt. Du hast dich heute Nacht verändert, also ist auch deine Magie verändert.»

Das klingt vernünftig.

Kieran versuchte sich an den Moment zurückzuerinnern.

Mit tiefen Atemzügen versetzte er sich in eine Trance. Die Grenzen zwischen Körper und Geist verschwanden. Beides zusammen dehnte sich bis zur Unendlichkeit aus. Normalerweise loderte seine Magie wie ein Lagerfeuer neben ihm, aber nun war nichts davon zu sehen.

«Sie ist da, vertraue mir. Schau weiter!» Imoshens Stimme drang fern durch den Himmel seiner immateriellen Welt.

Also begann er zu suchen. Wie in einem Traum schälten sich Formen und Schemen aus der Dunkelheit. Einige blieben länger, andere verflüchtigten sich sofort wieder. Doch von seiner Magie gab es keine Spur.

Er wollte aufgeben, aber vor Imoshen wollte er sch die Blösse nicht geben.

Die Lösung, als sie ihm dann einfiel, war simpel. Die Frage war, wer war er? Kieran der Junge war fort. Er war nun Kieran der Mann, der Leidenschaft kannte und nutzen konnte.

Dort, ein Leuchten! Er richtete seine Aufmerksamkeit darauf. Da war es. Sein blaues Feuer, nur, dass es nun eine wahre Feuersbrunst war.

Er keuchte auf. So viel Macht.

Von Fern nahm er Imoshens triumphierendes Lachen war.

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