Die Schlacht tobte um den Prinz. Sein Schwert hob und senkte sich und fällte einen Feind nach dem anderen. Die einst strahlende Rüstung troff vor feindlichem Blut. Hoch zu Ross fuhr er über seine Feinde, mähte Fusssoldat um Fusssoldat nieder, eine schillernde Figur, die seinen eigenen Männern Hoffnung machte.

Um die Moral seines Feindes stand es deutlich schlechter. Von der Kavallerie in die Zange genommen, las der Prinz pure Verzweiflung in den Gesichtern.

«Werft die Waffen nieder und wir lassen euch Leben!», rief er. Seine Ritter nahmen seine Worte auf und alsbald fingen die ersten Soldaten an, ihre Schwerter auf den Boden zu werfen. Ein warmes Glücksgefühl durchströmte den Prinzen.

«Du hast es geschafft, Phil!» Das Visier seines Helmes hochgeklappt bahnte sich Christoph Crépy auf seinem mächtigen Schlachtross einen Weg durch die Leichen und Verletzten.

«Nicht ich, sondern wir!», freute sich der Prinz. Er war kein Kriegsfanatiker. Lieber wäre er zu Hause in seinem Palast gewesen und hätte Bankette und Bälle veranstaltet als hier zwischen treuen Landsmännern und rebellischen Separatisten zu stehen. Das rigorose Training der Knappenschule unter Henry Fortesquieu hatte ihn indes hervorragend auf den Krieg vorbereitet. Nun war Prinz Philip ein stattlicher Krieger.

 «Wo ist Charly?» Suchend sah er sich um.

«Der kann nicht weit sein», entgegnete der Ritter.

Doch selbst als die Offiziere begannen, die überlebenden Soldaten der feindlichen Armee zusammenzutreiben und die Verletzten vom Schlachtfeld getragen wurden, tauchte der Vermisste nicht auf.

Philip überkam eine schreckliche Vorahnung. So schnell es seine Pflichten zuliessen, eilte er zu den Lazarettzelten. Dort herrschte ein solches Chaos, dass man meinen könnte, die Schlacht dauere noch an. Die Schreie der Verwundeten und Sterbenden sowie der Feldscher mischten sich zu einer grausigen Kakophonie. Als der Wind drehte, traf Philip die gesamte Wucht des Gestanks. Die Lippen zusammengepresst ging er von einem Verletzten zum anderen, doch er entdeckte Charly nirgends. Das ließ nur noch die Möglichkeit, dass er sich in einem Zelt befand. Dorthin brachte man nur diejenigen, die umgehend operiert werden mussten. Dementsprechend ungehalten reagierten die Feldscher auch, als er in ihr Reich trat. Nur sein Status als Prinz bewahrte ihn vor einem Rauswurf. Nachdem er auf den dritten Operationstisch gelinst und einen Schwall Blut von einem amputierten Armstumpf ins Gesicht bekommen hatte, nahm ihn Simon Beaujeu, der Oberfeldscher, persönlich zur Seite.

«Nach wem sucht Ihr?», fragte er brüsk.

«Charly – Charles de Vassy.»

Simon vermochte es nicht seine Gesichtszüge vollkommen zu kontrollieren. Der Prinz begann das schlimmste zu fürchten.

«Ist er tot?» presste er hervor.

«Nein. Aber er befindet sich im Zelt von Anselm.»

Ehe der Feldscher weitersprechen konnte, machte Philip auf dem Absatz kehrt und stürmte zur Unterkunft des Priesters. Es konnte nur einen Grund geben, warum Charly dem Priester übergeben worden war: er lag im Sterben.

Wenn er sich beeilte, konnte er sich vielleicht noch von ihm verabschieden.

Unangekündigt stürmte er ins Zelt. Vater Anselm fuhr auf seinem Schemel herum, als der Prinz hinein platzte.

«Mein Prinz, was tut Ihr hier?»

«Ich will zu Charly. Lebt er noch?»

«Wie man’s nimmt. In gewisser Weise ist er heute gestorben.»

Entgeistert über den plauderhaften Ton, fuhr Philip den Priester an: «Was fällt Euch ein, Euch so anmaßend zu verhalten! Charly war ein guter Mann, ein fabelhafter Krieger und ein Held!»

Dieser Ausbruch entlockte dem Geistlichen unglaublicherweise noch ein Lächeln.

Während der junge Mann stotternd und spuckend um Worte rang, nahm ihn Anselm am Ärmel und zog ihn zu einem Feldbett. Dort lag Charly, den Arm geschient, aber gänzlich am Leben. Als Philip an seine Seite stürzte, nahm er den flehentlichen Blick nicht wahr, den Charly dem Priester zuwarf.

«Die Wahrheit ist eine Erlösung, Kind», sprach dieser ominös.

«Dir geht es gut, Gott sei gepriesen!», rief Philipp erleichtert. Am liebsten hätte er sich Charly um den Hals geworfen, doch im letzten Moment besann er sich dessen Verletzungen.

«Ein gebrochener Arm?», fragte er mitleidsvoll.

«Und eine Schnittwunde am Oberkörper. Aber ich werde überleben», nuschelte der Verwundete.

«Natürlich wirst du das! Aber warum bist du bei Anselm? Ich dachte, du liegst im Sterben, als sie mir sagten, du seist hier!»

Wieder sah Charly zum Priester, der ihm aufmunternd zunickte.

Kurz presste der Freund des Prinzen die Lippen zusammen, dann setzte er sich ein wenig umständlich, wegen dem geschienten Arm, auf. Als die Decke herunterrutschte, wurde der umwickelte Oberkörper sichtbar. Doch es war nicht der grossflächige Verband, der dem Prinz den Atem raubte, sondern die zwei Erhebungen auf dessen Brust.

«Mein richtiger Name lautet Charlotte de Vassy», erklärte Charly ihm mit bebender Stimme.

«Du bist … eine Frau?», stotterte Philip.

«Scharf beobachtet, mein Prinz», gluckste Anselm. Philip fuhr herum und deutete auf den Ausgang. «Wenn ich um eine Minute alleine mit meinem … mit Charly bitten dürfte?»

«Natürlich.» Der Priester verbeugte sich und ließ die beiden alleine.

«Es tut mir leid, dass ich Euch hintergangen habe, mein Prinz», wisperte Charly.

«Warum? Warum hast du das getan?», fragte Philip matt.

«Weil ich mehr sein wollte als eine Trophäenfrau, die an den nächstbesten Adligen verheiratet wird. Ich habe davon geträumt, den Lauf der Welt zu verändern.»

Philip dachte an all die Abenteuer zurück, die er mit Charly erlebt hatte. Er kannte niemanden, der furchtloser war als er und der das Schwert so kühn führte.

«Du hast nicht nur mich sondern auch die Krone verraten.»

«Ich weiss.»

«Mein Vater würde dich ohne zu zögern hinrichten lassen. Aber ich … liebe dich wie einen Bruder – oder eine Schwester.» Er zögerte und schien einen Entschluss zu fassen: «Das beste was ich tun kann, ist, dich gehen zu lassen. Charles de Vassy starb hier.»

«Aber wo soll ich hin?», fragte Charly mit tränenerstickter Stimme.

«Dir steht die Welt offen, Charly. Es gibt Länder, die nicht so hinterwäldlerisch wie wir sind und Frauen besser behandeln.»

Sichtlich gerührt, Rang Charly um Worte, doch schließlich sagte sie einfach Danke und umarmte ihn.

Selbst als Philip König wurde, vergass er Charly nie. Als ihn eines Tages die Kunde von einer tugendreichen Kriegerin aus dem Süden erreichte, wusste er, dass Charlotte ihren Traum hatte erfüllen können.

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