«Dies dient der Überwachung Ihrer Vitalfunktionen. Bitte legen Sie die Reife um den Hals», sagte die blonde Schönheit und händigte Yves einen schmalen Metallstreifen aus.

«Ein Halsband? Das kann nur der Marketingabteilung in den Sinn gekommen sein», grunzte der Mann, neben Yves. Schulterzuckend folgte der junge Mann der Aufforderung. Er hätte alles getan, was Blondie ihm aufgetragen hätte.

Das Metall war kühl, nahm jedoch rasch die Körperwärme an, sodass Yves es schnell vergass.

Blondie überprüfte die Werte auf einem Tablet. Sie nickte zufrieden und wies die Exkursionsteilnehmer dann an, vor die Schleusentür zu kommen. «Ich will Ihnen nochmals in Erinnerung rufen, dass Sie zu jedem Zeitpunkt völlig sicher sind. Sollte sich jedoch jemand unwohl fühlen, zögern Sie nicht, mich anzusprechen. Die Tiere, die wir hier haben, sind alle umgänglich und freundlich. Doch wie wir, können Sie mal einen schlechten Tag haben. Ich bitte Sie, den Tiere Respekt entgegenzubringen.

Yves hörte der Führerin nur mit halbem Ohr zu. Im Kopf ging er bereits einige Anmachsprüche durch. Sein Hightlight würde sein, wenn er diese langbeinige Schönheit auf einen Drink am Abend einlud, nicht, wenn er irgendeinem Affen die Hand schüttelte.

«Sind Sie bereit?», fragte Blondie mit einem Zahnpastalächeln. Sie schien ehrlich begeistert von ihrer Arbeit zu sein. Yves musste also zumindest ein bisschen Interesse heucheln. Als ihr Blick den seinen streifte, streckte er ihr den Daumen entgegen.

Mit einem Zischen öffnete sich die Tür. Eine Person um die andere trat durch die Schleuse, um sich schliesslich auf der anderen Seite in einer stadtähnlichen Umgebung wiederzufinden. Einem sonnigen Sonntagnachmittag gleich schlenderten verliebte Pärchen und vergnügte Familien den Weg entlang. Dazwischen huschten Katzen und Hunde umher. In den Rosenbüschen hockten Spatzen und in einem Teich schaukelten einige Enten. Yves sah sich enttäuscht um. Wo waren die spannenden Tiere?

Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, erklärte Blondie: «Hier in der Begegnungszone treffen Sie auf vertraute Tiere, bei denen Sie den Übersetzer anwenden können. Gehen Sie auf ein Tier zu. Wenn es nicht davonläuft und den Blick erwidert, dann hat es Lust auf ein Schwätzchen. Ihr Chip wird sich automatisch mit dem des Tieres verbinden, sodass sie miteinander sprechen können. Die Stimme wird aus einem Mikrophon in Ihrem Reif widergegeben.»

Blondie ging mit gutem Beispiel voran und trat zu einem Labrador, der neben einem Brunnen lag. Gutmütig hob er den Kopf von den Pfoten und spitze die Ohren.

«Guten Tag, Thierry», grüsste Blondie.

«Hallo Angie. Hast du neue Besucher mitgebracht?», erklang die tiefe, Stimme des Hundes.

«Das könnte auch aufgenommen sein», murmelte der Skeptiker, der sich bereits über das Halsband aufgeregt hatte.

Yves gab ihm recht, aber er hätte seine Zweifel nicht laut geäussert. Schliesslich wollte er seine Chance bei Blondie nicht vermasseln.

Doch die Führerin lächelte nachsichtig. «Natürlich. Aber dafür müsste man keine milliardenteure Einrichtung bauen, nicht wahr? Sie können nun gerne die Umgebung erkunden. «

Yves überlegte, ob er den Moment nutzen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Er wollte nicht zu verzweifelt wirken. Stattdessen ging er zum Ententeich. Ein Erpel ruhte dort auf einem Stein aus. Da er nicht gleich Reissaus nahm, grüsste Yves ihn.

«Du bist auch ein Junggeselle, nicht wahr?», vermutete der junge Mann.

«Nicht mehr lange. Ich habe mein Auge auf die Dame dort geworfen.» Der Erpel nickte Richtung Seerose, wo eine Ente sich das Gefieder putzte. «Ist sie nicht hinreissend?», fragte der Erpel. Yves zuckte mit den Schultern. «Wenn man auf Enten steht. Viel Glück beim Erobern.»

Er ließ den Erpel alleine und ließ die Gruppe allmählich hinter sich. Plötzlich fand er sich vor einer weiteren Schiebetür wider. Er betätigte den Schalter, doch nichts rührte sich. Er wollt eben weiterschlendern, als sie sich mit einem Zischen öffnete. Aus dem Schatten trat ein Löwe.

Sämtliche Instinkte riefen Yves zu, er solle fliehen, als er in diese grossen, gelben Augen blickte. Der Löwe musterte ihn. «Willst du etwas Spannenderes erleben?», fragte der Löwe.

Fasziniert nickte Yves. Der Löwe machte kehrt. Hinter der Tür kam eine neue Umgebung zum Vorschein, die aussah wie ein Dschungelcamp. Affen turnten umher, Elefanten rupften Früchte von Bäumen und ein paar Wollschweine hielten in einer sandigen Senke ein Schläfchen. Der Löwe bog jedoch in den Busch ab und folgte einem Wildwechsel. Lange mussten sie nicht gehen, bis sie einen Wasserfall erreichten. Anmutig setzte der Löwe auf einen Stein über und balancierte auf einem Steinpfad trockenen Fusses bis neben das herabströmende Wasser. Yves tat es ihm weitaus ungeschickter nach. Hinter dem Wasserfall kam eine weitere Tür zum Vorschein. «Wartungsraum» stand in grossen, abblätternden Lettern darauf.

Der Löwe verschwand im dunklen Gang und Yves hastete ihm nach. Dies war mit Sicherheit nicht Teil der öffentlichen Tour. Der Gang endete in einem von Neonlicht erstrahlten Raum. Yves hatte viel erwartet, doch als er den Gorilla im weissen Laborkittel sah, fiel ihm trotzdem der Kinnladen runter.

«Passt der da?» fragte der Löwe. Der Silberrücken musterte Yves. «Das werden wir gleich sehen.» Auf sein Nicken hin, schlängelte sich eine Anakonda aus der Dunkelheit. Ehe sich der junge Mann wehren konnte, hatte sie ihn schon bis zur Hüfte umschlungen. «Heh, was soll das!», protestierte er, doch es war zu spät.

«Je mehr du dich wehrst, desto mehr drücke ich zu», warnte ihn die Schlange. Yves spürte bereits jetzt seine Rippen protestieren und zwang sich, ruhig zu werden. Der Gorilla hielt ein kleines Gerät an Yves Halsband. Es sah aus wie ein ehemaliges Walkie-Talkie, dem ein Techmakeover widerfahren war.

«Was macht ihr mit mir?», schrie Yves panisch.

«Wir nutzen die Sendefrequenz deines Halsbandes, um einige Funktionen in deinem Hirn zu unterbinden», erklärte der Gorilla geduldig.

«Welche Funktionen?»

«Das Kommunikationszentrum, primär.»

«Aber warum?», fragte Yves mit schwacher Stimme.

«Um euch zu zähmen. Wenn ihr untereinander nicht mehr kommunizieren könnt, seid ihr Menschen machtlos. Es wird Zeit, dass wir Tiere das Sagen haben. Vielleicht gelingt es uns ja, diesen Planeten noch zu retten.»

Der Gorilla trat einen Schritt zurück, lächelte Yves aufmunternd zu. «Keine Angst, es tut nicht weh, tumb zu sein.» Er drückte einen Knopf und Yves Gedanken wurden blank.

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