Ich stieß ein erleichtertes Seufzen aus, als mir die abgestandene Luft aus dem Schankraum die Nase umschmeichelte. Sie roch nach ungewaschenen Männerleibern, Rauch und … Bier. Als die Tür ins Schloss fiel, wandten sich diverse Köpfe in meine Richtung. Ob die Erstarrten Blicke meiner ungewöhnlichen Aufmachung, meinem Zustand oder meinem Geschlecht galten, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht war es auch alles zusammen. Abgesehen von den Schankmädchen befanden sich keine anderen Frauen hier und selbst diese schienen mich feindselig zu mustern. Weil ich in ihr Revier eingedrungen war? Wohl kaum. In meinem lädierten und heruntergekommenen Zustand stelle ich sicher keine Bedrohung für sie dar.

Ich fixierte mein Ziel, die Theke und humpelte darauf zu. Ungelenk wie ich war, schlug meine über die Schulter geschlungene Jagdflinte gegen eine Tischkante. Der Knall dröhnte laut und mir wurde klar, dass alle Gespräche im Raum verstummt waren. Egal, solange ich zu meinem Bier kommen würde, sollten sie mich meinetwegen anglotzen.

Ich erreichte die Bar und setzte mich vorsichtig auf einen Hocker.

«Ein Bier bitte», sagte ich und versuchte mich an einem freundlichen Lächeln. Als der Wirt zusammenzuckte, fiel mir die Zahnlücke wieder ein. Stimmt, die sah nicht so hübsch aus.

«Ihr solltet den anderen Kerl sehen.» Der flache Spruch hätte die Stimmung lockern sollen. Wäre ich ein Mann gewesen, hätte er seine Wirkung bestimmt nicht verfehlt. Aber wäre ich ein Mann gewesen, hätte es überhaupt keine Notwendigkeit für einen Eisbrecher gegeben. Was war schon ein zerschundener Abenteurer mehr, hier am Rand zur grünen Hölle? Aber ich war eine Frau und hier deswegen fehl am Platz wie ein Diamant im Unrat.

Ich starrte den Wirt so lange an, bis er aus seiner Starre fuhr.

Zögern nahm er sich ein Glas und wollte es eben unter den Zapfhahn halten, als ihm in den Sinn kam, das Gefäß zu inspizieren. Als er die Schmierspuren am Humpen entdeckte, wollte er ihn schon zurück stellen.

«Lasst gut sein, ich habe Wasser aus einer Pfütze getrunken; das bisschen Dreck stört mich nicht.»

Seine Augen weiteten sich um eine Spur, doch immerhin bewegte er das Glas wieder Richtung Hahn.

«Wäre die Lady nicht besser im «El Royal» oben bei der Poststation aufgehoben?», erklang eine raue Stimme zu meiner Linken.

Der Wirt ließ das Glas wieder sinken. Nur mühsam unterdrückte ich den Drang, ihn anzuschreien, er soll mir endlich das verdammte Bier einschenken.

Steif drehte ich mich zum Sprecher um. «Und wie kommt ihr darauf Mr. …?»

«Tucker, Ma’am. Na, eine feine Lady gehört nicht in ein solches Etablissement wie dieses hier.»

«Etablissement nennt Ihr dieses Loch? Das dünkt mich doch ein wenig euphemistisch.»

Während Tucker noch studierte, was das Wort «euphemistisch» bedeutete, fauchte ich den Wirt an, mit dem Bier vorwärts zu machen. «Ihr wisst nicht, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe. Der Gedanke an ein kühles Bier hat mich all die Strapazen aushalten lassen.»

«Ich weiss, was Euch passiert ist, Ma’am», erklang eine neue Stimme zu meiner Rechten.

«Ach ja? Erzählt mir unbedingt davon», stöhnte ich genervt.

Meinen Sarkasmus ignorierend fuhr der Neue fort: «Ihr seid auf der Reise hierher überfallen und entführt worden. Euer Mann ist dabei umgekommen. Gott war auf Ihrer Seite und hat Euch sicher hierher zurückgeführt.» Zufrieden mit seiner Erklärung nippte der Mann an seinem Brandy.

Kurz vergass ich mein Bier. «Ist das so?», brauste ich auf. «Ist das die einzige mögliche Erklärung, um meine Präsenz hier und meinen Zustand zu erklären? Kann es nicht sein, dass ich eine selbstbestimmte Frau bin, die es sich schon als kleines Mädchen in den Kopf gesetzt hat, die Nebelphoenixe der grünen Hölle zu studieren? Dass ich den Umgang mit Flinte und Messer monatelang geübt habe und kaum im Dschungel angekommen froh darüber war, mich meiner Röcke und meines Korsetts zu entledigen? Dass ich mich gegen wilde Tiere und Einheimische behauptet habe, einfach weil ich es wollte? Dass ich genau da bin, wo ich wollte und nun, nach erfolgreich überstanden Abenteuer mein verdammtes, herrliches Bier einfach nur in Ruhe trinken will?» Ich schenkte ihm einen Blick, der selbst einen hungrigen Jaguar verscheucht hätte und streckte fordernd meine Hand Richtung Wirt aus: «Ich frage nicht noch ein weiteres Mal danach: Her mit dem Bier!»

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