Ein dumpfer Knall erfüllte die Luft, als sie in den Pool fiel. Das Klatschen und Plätschern von Wasser folgte. Füsse wurden zurückgezogen, als einige flache Wellen auf die Natursteinplatten heraus schwappten. Die meisten Anwesenden widmeten sich nach einem kurzen Blick wieder ihrem Smalltalk. Einige keuchten auf vor Schreck, andere, weil Poolwasser in ihr Champagnerglas spritzte. Nur ein paar wenige blieben stehen, um sich darüber zu amüsieren, wie sie sich gleich mit klatschnassem Kleid aus dem Wasser kämpfen würde.

Es geschah nichts. Der Körper der jungen Frau sank unter die Wasseroberfläche. Die Jungs, die sie in dem nassen Kleid hatten bewundern wollen, sahen sich ratlos an. Der Smalltalk links und rechts von ihnen verstummte langsam. Alle umstehenden wandten sich nun doch wieder dem Pool zu. So standen sie da und wussten nicht, ob sie etwas tun oder doch lieber abwarten sollten. Eine perfekt gebräunte Blondine mit Kussmundlippen griff in ihre Tasche und drehte ihr Handy zwischen ihren Fingern, nahm es aber nicht heraus. Bestimmt würde sie gleich auftauchen, ganz sicher. Das musste so sein, nicht wahr?

Ehe sie oder irgendjemand anderes weiter darüber nachdenken konnte, rief jemand: «Aus dem Weg!»

Die Leute bildeten eine Schneise, als sie den Mann sahen, der auf sie zu rannte. Niemand hatte bislang Notiz von ihm genommen. Seine Kleidung war komplett schwarz. Die Jeans offenbarte nichts, doch das T-Shirt und die nackten, muskulösen Oberarme liessen einen drahtigen Athletenkörper erahnen. Er zog seine Kleidung nicht aus, auch nicht seine Schuhe. Sein Blick war starr nach vorne gerichtet, als er sprang. Ein weiterer dumpfer Knall begleitete sein Eintauchen. Er verschwand unter der Oberfläche, nur noch ein schwarzer Schatten unter dem glänzenden Blau.

Die Partygäste warteten gespannt. Jemand stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Einige neigten den Kopf hin und her, als würde ihnen das helfen, seine Position festzustellen. Jemand, nicht die Blondine, zückte ein Handy und aktivierte die Kamera.

Der Mann tauchte auf, das bewusstlose Mädchen im Arm. Er keuchte heftig, sog die Luft regelrecht in seine Lungen, drehte sich um und zog das Mädchen an Land. Jemand half ihm, sie aus dem Pool zu hieven. Sie legten sie auf den Steinboden. Der Mann begann sofort mit der Wiederbelebung. Die umstehenden sahen ihm mit einer Mischung aus Neugier, Ratlosigkeit und Unbehagen zu. Einige flüchtige Blicke trafen sich.

«Würde bitte jemand einen Arzt rufen!», schrie der Mann ihn die Menge, doch er sah niemand bestimmtes an.

Die Blondine kramte endlich ihr Handy aus der Tasche und tippte die Notrufnummer ein. Sie nannte der Frau am anderen Ende die Adresse und das Problem.

Der Mann setzte seine Wiederbelebung fort. Eine ganze Weile lang tat sich nichts, doch dann hatte er Erfolg. Der Körper der jungen Frau erbebte, als ein wenig Wasser ausspuckte. Er konnte fühlen, wie sie atmete, langsam und schwach, wie jemand in tiefem Schlaf. Ihre Augenlider flatterten, fielen jedoch sogleich wieder zu.

«Hey», sagte er zu ihr und legte sanft eine Hand auf ihre Stirn. «Halte durch, ja? Es wird alles gut. Bleib bei mir, okay?»

Doch er schien sie zu verlieren. Er wandte sich den Gaffenden zu. «Kennt sie jemand? Niemand?»
Ein weiteres Mädchen schob sich zwischen zwei muskelbepackten Typen in Trägershirts hindurch. Sie trug ein blaues Kleid, das den perfekten Kontrast zu ihrem roten Haar erzeugte. «Sophie?», sagte sie und starrte auf ihre ohnmächtige Bekannte.

«Sophie», sagte der Mann zu dem Mädchen, das vor ihm lag. «Sophie, hörst du mich? Bleib bitte bei uns. Die Rettungskräfte sollten jeden Moment hier sein. Du musst bei uns bleiben, verstehst du? Du darfst noch nicht gehen, okay?»

Sophies Lippen bebten und formten eine Bewegung, doch sie spuckte nur Wasser aus. Sie versuchte erneut, die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht.

«Gut so», sagte der Mann. «Du wirst es schaffen, Sophie. Alles wird gut.»

Eine neue Schneise bildete sich zwischen den Leuten, als die Sanitäter kamen. Sie legten Sophie auf eine Trage und verfrachteten sie in einen Krankenwagen. Ihr Retter zog sich aus der Menge zurück.

 

Später gab es Ermittlungen. Wie sich herausstellte, war Sophies Vater ein einflussreicher Mann. Das überraschte niemanden. Es überraschte jedoch die Polizei, dass sich offenbar niemand an den Mann erinnern konnte, der sie aus dem Pool gezogen hatte.

«Doch, doch, da war jemand. Ganz sicher, ich habe es gesehen, man hat sie herausgezogen.» – «Wie sah er aus?» – «Ich weiss es nicht mehr. Unscheinbar.»

«Der eine… Jade, Jared, Jill? Er hat ein Video gemacht.»

Sie fanden Jill und sahen sich das Video an. Sophies Kopf tauchte an der Wasseroberfläche auf. Er wurde herumgeschwenkt und zum Rand gezogen, dort ergriff jemand ihre Schultern und zog sie ganz heraus. Sie lag auf dem Stein. Plötzlich kam eine Regung in ihr Gesicht, dann spuckte sie. Ihre Augenlider flatterten, fielen jedoch gleich wieder zu. Nach ein paar Sekunden spuckte sie erneut. Schien kurz jemanden anzusehen.

Aber da war niemand.