Unser Nachbar war ein Heimwerker, wie er im Buche und im Baumarkt steht und so etwas wie der technische Hauswart in unserem älteren Mehrfamilienhaus. Ein ganz lieber und hilfsbereiter Kerl mit teilweise sehr eigenen Vorstellungen, der glaubte, der unangefoch-tene Chef im Haus zu sein. Er war überall anzutreffen und reparierte was das Zeug hielt. Dass er dabei auch zweifelhafte Lösungen schuf, erstaunte niemanden, erstaunlich war nur, wie man in gewähren liess. Wir waren ein äusserst friedfertiges und tolerantes Haus, was letztlich seine nicht enden wollende Flickarbeit aber nicht rechtfertigte.

Die erste von mir festgestellte Meisterleistung schaffte er beim Garagentor. Dieses spukte irgendwie, er ging von einem Korrosionsschaden aus. Es reparierte es innert einer Woche so, dass es nicht mehr zuging, aber besser offen als das Gegenteil.

Er war auch viel in der Einstellhalle am Werken und es gelang ihm, einen 18-jährigen Opel gegen einen 15-jährigen einzutauschen. Mir fiel das auf, weil plötzlich anstelle eines weis-sen ein blauer Wagen dastand. Auf meine Frage, ob er nicht besser ein jüngeres Modell gekauft hätte, meinte er, dieses kenne er bereits und wenn der Wagen Macken bekäme, wüsste er genau wie Hand ansetzen.

Ich traf ihn eines Morgens früh im Treppenhaus, er trug Möbel in einen Lieferwagen. Sein altes Schlafzimmer wurde entsorgt. Seine Frau und er hatten beschlossen, nach 25 Jahren ein neues Schlafzimmer anzuschaffen und dieses wurde für den Nachmittag erwartet.

Zufälligerweise kam ich früher nach Hause und sah den Lieferwagen des Möbelhauses vor unserer Haustür. Merkwürdig war allerdings, dass die Möbelleute wie am Morgen Möbel in den Wagen luden. Hatte ich mich verhört? Nein, sagte mein Nachbar, seine Frau und er hätten genau Mass genommen, nun sei der Kleiderschrank aber 2cm zu breit. Das sei nicht weiter schlimm, das Möbelhaus trenne den Schrank in der Mitte durch und schneide die 2cm raus, das könne man so lösen.

Das Bett mit seiner Umrandung stimmte und stand bereits nutzungsfertig im Schlafzimmer. Mein Nachbar zeigte mir die neue Möblierung und ein Bild des nunmehr in die Fabrik zu-rückgekehrten Kleiderschranks. Die mittige Teilung fand ich unmöglich, statt einer Einheit entstand ein etwas komisches zweiteiliges Unding mit in der Mitte zwei schmaleren Türen.
‘Hättest du nicht ein anderes Schlafzimmer auswählen können?’
‘Nein, das bestellte ist ein Ausstellungsstück und wir haben es zu einem reduzierten Preis erhalten. Da machen die zusätzlichen Arbeiten der Teilung einen verkraftbaren Mehrpreis aus.’

Etwa zwei Wochen später hörte ich ein Hämmern und Schlagen, klar, das konnte nur bei meinem Nachbarn sein. Er hatte mir nichts von einem Ausbau der Wohnung erzählt und meine Neugier war geweckt.

Anderntags traf ich ihn in der Garage (das Tor funktionierte wieder) und erkundigte mich nach seiner Bautätigkeit.
‘Ja, das war eine kleine Sache: Der Kleiderschrank ist gekommen und die Teilung stört optisch gar nicht, aber er ist um etwas mehr als 1cm zu breit geliefert worden. Die haben in der Fabrik die in die Mitte gesetzteZwischenwand nicht einkalkuliert, die…’
Er wollte, da die Kleider jetzt endlich wieder versorgt werden mussten, den Schrank nicht wieder in die Fabrik zurückgehen lassen und entschied sich für die bauliche Lösung. Also spitzte er beidseits den Verputz ab den Wänden und stellte den Schrank in die so entstan-dene Nische.
‘Ja, verputzen muss ich jetzt wieder, aber das kann ich und ist keine sehr schwierige Arbeit, kann dann gleich noch das Schlafzimmer malen.’

Jeder Eigentümer durfte seine Fenster, unter Wahrung der bisherigen Optik, selber aus-wechseln. Da die gesamte Liegenschaft in die Jahre ging und es zugig wurde, taten mein Mann und ich dies, wir schlossen uns mit weiteren Eigentümern zusammen und kauften neue Holzfenster und liessen diese einmontieren. Unser Nachbar war nicht dabei, er hatte ja kürzlich das Schlafzimmer erneuert.

Etwa ein Jahr später sagte er mir, er hätte eine geniale günstige Fensterlösung gefunden, es gäbe ein System, bei welchem das Futter und der Rahmen bestehen bleiben und nur die Flügel mit besser isolierten Gläsern erneuert würden und er prüfe dies. Die Prüfung wurde für gut befunden und es wurde eingebaut. Blöd nur, dass das Material der Fenster sich je nach Witterung anders verhielt als das Holz des alten Rahmens und die Fenster entweder nicht mehr geöffnet oder geschlossen werden konnten. Wir hörten so ab und zu das Heulen der Hobelmaschine.

Bei der nächsten Reparatur, bei welcher das Treppenhauslicht nicht nur in einer Etage, sondern total ausfiel und er uns Stolperfallen in Form von liegenden Kabeln mit Kabelrollen über das Treppenhaus und den Korridor legte, zeigte er uns einmal mehr seine handwerk-lichen Begabungen.

Als er die Wohnung an einen neuen Eigentümer verkaufte und dieser einzog, trat eine seltsame Stille ein und ehrlich, unser bisheriger Nachbar fehlte uns.

Maria von Ballmoos, 4.9.2018

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