Wie konnte ich mich nur so fahrlässig in eine solche Situation bringen?, fragte sich Thomas und rannte um die Hausecke eines Bauernhofes in der Hoffnung, dass ihn seine Verfolger so aus den Augen verlieren würden. Er war selbst Schuld an seiner Misere. Hätte er sich doch einfach um seinen eigenen Kram gekümmert wäre das nie passiert und er würde jetzt nicht in einer solchen Gefahr schweben.

Er hielt einen Moment inne als er die Stimmen hörte. Erschrocken stockte sein Atem. Er zitterte vor Kälte. Die Sonne war bereits am Horizont und färbte die gesamte Umgebung in ein warmes Orange. Trotzdem wurde es zu dieser Jahreszeit schon schnell kühl wenn die Sonne weg war. Als er vernahm, dass die Stimmen lauter wurden entschied er sich weiter zu rennen. Er hetzte durch einen Wald und spürte wie sich die Äste in seine nackten Füsse bohrten.

Als er sich nach einiger Zeit umschaute stellte er erschrocken fest, dass er die Orientierung verloren hatte. Es war weit und breit kein Weg zu sehen. Nur Sträucher, Büsche und Bäume. Thomas setzte sich und lehnte mit dem Rücken an einen Baumstrunk und versuchte seine Atmung wieder in den normalen Bereich zu bringen.

Doch plötzlich hörte er ein Knacken. Er sprang auf und schaute hektisch in alle Richtungen durch den Wald. Zuerst sah er nichts, weil es schon sehr dunkel in der Dämmerung war. Doch da, hinter einigen Bäumen in ungefähr 50 Metern Entfernung  streifte jemand durch den Wald. Thomas Herz blieb stehen und  er hechtete in den nächstgelegenen Busch. Es war ein Brommbeerbusch der ihm die Beine noch mehr zerkratzte als sie es ohnehin schon waren. Doch die panische Angst die in Thomas hochstieg wirkte wie eine Betäubung. Nun konnte er hören, dass es sich um mehr als eine Person handeln musste. Die Leute sprachen miteinander. Kein Zweifel, das mussten seine Verfolger sein. Thomas Herz sackte wie ein Kloss in seinen Unterleib. Angst schwallte in ihm hoch.

Was, wenn sie ihn finden würden? Wäre dann alles vorbei? Es konnte doch nicht sein, dass alles bereits so früh auf diese Art enden würde. All die Pläne die er noch hatte. Nein, es konnte und durfte nicht sein.

Thomas war muxmäuschenstill.  Er hörte Schritte näher kommen und konnte nun durch das Geäst sogar die Beine einer Person ausmachen. Er sah wie die Person in der herabhängenden rechten Hand ein Gewehr hielt. Dieses schwang im Gleichschritt mit den Schritten des Verfolgers. Thomas hielt den Atem an, damit er keinen Laut von sich gab. Wenn er in diesem Strauch entdeckt wurde war es aus. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. Der Verfolger blieb lange vor dem Busch stehen und drehte sich in alle Richtungen und lauschte ob sich irgendwo etwas regte. Thomas sah bereits die weissen Blutkörperchen in seinen Augen herumschwirren als sich die Gestalt vor ihm endlich zu bewegen begann. Aus der Ferne konnte er Rufe vernehmen und die Person folgte den Rufen mit zügigem Schritte.

Thomas versuchte seinen Körper nun so leise wie möglich wieder mit Sauerstoff zu versorgen. Er musst dagegen ankämpfen wie wild zu atmen und versuchte seine Atmung so flach wie möglich zu halten. Er verharrte noch etwas in dem Busch bevor er langsam daraus hervorkroch und sich vorsichtig umsah. Von seinen Verfolgern war keine Spur mehr zu sehen. Er machte sich so leise wie möglich auf den Weg zurück. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und nun spürte er die Schmerzen an seinen Füssen und die brennenden Kratzer an den Beinen. Nun fühlte er die Kälte wieder und begann zu frösteln.

Nach einer Weile lichtete sich der Wald langsam und er war wieder bei dem Bauernhof. Erleichterung durchströmte ihn als er sich umsah und niemanden erspähen konnte.
Thomas bemühte sich hauptsächlich auf wiesen zu gehen um seine Füsse zu schonen. Er kam zu einer Brücke an einem Fluss. Nur noch über die Brücke und dann über die grosse Wiese, dachte er sich. Danach wäre er zu Hause und seine Odyssee würde erst einmal ein Ende haben.

Er überquerte die Brücke und schaute sich immer wieder um. Er kam auf die Wiese und begann zu rennen. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause.

KLATSCH! Etwas flog Thomas mit voller Wucht ins Gesicht. Im ersten Bruchteil der Sekunde fühlte es sich gummig an, doch als das Objekt mit der vollen Fläche auf seinem Gesicht aufprallte, zerplatze es und eine Flüssigkeit überdeckte sein Gesicht. WASSER!

Thomas fiel rücklings auf den Boden. Er spürte wie jemand sein Arme hinter seinem Kopf auf den Boden drückte. Gerade wollte er einen Purzelbaum rückwärts machen um sich zu befreien da kam eine weitere Person und drückte auch noch seine Beine auf den Boden.

»Nun bist du fällig«, grummelte eine dritte Person die sich jetzt über ihn gestellt hatte. Fabian, der 3 Jahre ältere Nachbarssohn hob den lauf seiner Waffe, richtete ihn auf Thomas Gesicht und drückte ab…

Thomas rang nach Luft als der Starke Wasserstrahl auf sein Gesicht prallte. Er Konnte weder seine Hände vor sein Gesicht legen um sich zu schützen, noch seinen Körper vom Angriff abdrehen. Der Wasserstrahl presste sich unerlässlich auf sein Gesicht bis er sich allmählich abschwächte. Sein Peiniger hob die Waffe hoch und begann zu pumpen. Je länger er pumpte desto anstrengender schien es zu werden, weil sich der Druck des Wassers erhöhte. Erneut wurde Thomas ein Strahl Wasser ins Gesicht geschossen.

»Fabian, das Essen ist fertig!«, konnte Thomas durch das ihm ins Gesicht triefende Wasser vernehmen. Ruckartig hörte der Wasserstrahl auf und der Druck auf seine Arme und Beine wurde weniger. Fabian sah ihn mit einem grimmigen Blick an und sagte: » Du hast glück, dass ich jetzt gehen muss. Nächstes Mal überleg dir gut ob du deiner Freundin wieder zu Hilfe kommen willst wenn wir sie mit Wasserballonen bewerfen!«. Fabian und seine zwei Freunde wandten sich von Thomas ab und liessen ihn auf der Wiese liegen.

Thomas starrte in den Himmel und war froh, dass es vorbei war. Nie mehr würde er einem Mädchen in Not helfen! Das hatte er jetzt gelernt.