Kurz vor meinem 30. Geburtstag war ich, nach einem längeren Auslandaufenthalt, an einer Temporärstelle tätig, aber auf der Suche nach einer Festanstellung. Dabei lernte ich einen recht attraktiven Endvierziger kennen, welcher mein Vorgesetzter hätte werden können, aber es kam anders.

Der genannte Herr war sehr charmant, er meinte beim Bewerbungsgespräch relativ bald, ich sei für die ausgeschriebene Stelle aus seiner Sicht leider überqualifiert. Ich wunderte mich deshalb über die Einladung zum Vorstellungsgespräch, machte mir aber keine weiteren Gedan-ken dazu. Dass er für mich andere Pläne hatte, erfuhr ich später.

Ich verstand mich mit meinen Arbeitskolleginnen beim Temporäreinsatz ausgezeichnet, die meisten kannte ich von früher. Diejenige, welche die Telefonzentrale am Empfang bediente, schwärmte mir von einem Typen vor, welcher mich gesucht hätte. Der hätte eine so schöne Stimme und er werde wieder anrufen. Tat er und lud mich zu einem Apéro ein. Als Grund nannte er Sympathie und eine Riesen-Entschuldigung, dass er mich vergebens zum Vorstel-lungsgespräch eingeladen hätte. Er möchte das wieder gut machen. Mir war das eigentlich egal, aber die Arbeitskolleginnen waren neugierig und wollten diesen Typen mit der angeneh-men Stimme, der so beharrlich anrief, kennenlernen. Er sei viel zu alt, meinte ich, aber sie liessen nicht locker. Also sagte ich anderntags zu und er holte mich in seinem Geschäftswagen am Arbeitsplatz ab. Zufälligerweise waren meine Kolleginnen irgendwie alle anwesend. Der Apéro wurde unspektakulär, aber er war sehr aufmerksam und witzig.

Er lud mich weiter zu Sonnenuntergängen am See und kleinen Picknicks im Grünen ein und ir-gendwann brach meine Mauer ein, er war wirklich nett, liebenswürdig und unterhaltsam und wir kamen uns näher. Meine Kolleginnen wurden nicht mehr gebrieft und sie verloren ihr Inte-resse an der Liaison.

Er erzählte mir von seinem Vorleben. Er war geschieden und stolz darauf, seine Exfrau mit wenig Haushaltgeld Sparsamkeit gelehrt zu haben. Erst viel später kam mir der Gedanke, dass jemand mit übertriebener Sparsamkeit oder Geiz vertrieben werden kann oder dass Sparen nur einem Teil einer Partnerschaft oder Zweck dient.

Zu Beginn unserer Beziehung weilten wir oft in seinem grossen Landhaus, welches reichlich mit Antiquitäten bestückt war. Wir hatten ohne grosse Diskussion die Regel aufgestellt, dass derje-nige Haushalt, in dem wir sind, für Speis und Trank aufzukommen hat und auch das Kochregime übernimmt. Er bekochte mich mit einfachen aber schmackhaften Gerichten, das Brot war aber immer hart, er kaufte neues, obwohl noch eines vorhanden war und klar, das alte musste zu-erst gegessen werden. Ich entdeckte schrittweise Makel in der gepflegten Fassade und mit der Zeit auch, dass seine Essenswünsche bei mir zuhause anspruchsvoller und kostspieliger waren als in seinem und guter Wein durchaus geschätzt wurde.

Bei seinen Einkäufen steuerte er zielgerichtet die Auslagen mit den Aktionsprodukten beim Grossverteiler an und die Preisetiketten des Weins wiesen ihn eindeutig als Kochwein aus und zeigten eine niedrige einstellige Zahl. Er wog Gemüse auf seine Art ab, entweder legte er nicht alle Produkte voll auf die Waage oder es kam ein Obendrein mit. Nicht so meine Welt und erste Unstimmigkeiten bei uns.

Wir machten diverse Ausflüge, kehrten aber nur ein, wenn ich ihn einlud und bezahlte. Vor grösseren Fahrten füllte er auf Geschäftskosten zwei Reservekanister mit Benzin und den Tank des Geschäftswagens natürlich auch. Er kannte seine Umgebung gut und vor unseren Fahrten wurden Abfallsäcke gefüllt, es gab damals noch etliche Container, in die kostenlos entsorgt werden konnte. Es kamen meistens irgendwelche Behältnisse mit. Er erkannte genau, welcher abgelegene Zwetschgenbaum jetzt reife Früchte hatte und in Windeseile wurden die Früchte gepflückt oder eingesammelt und im Wagen verstaut. Bei Aepfeln und Birnen war es dasselbe. Mir wurde schlecht bei diesen Mundrauben, er fühlte sich pudelwohl dabei.

Hatten wir es beim Parkieren mit Parkingmetern zu tun, und damals gab es die noch, die die verbleibende Zeit gut sichtbar anzeigten, fuhr er so lange umher, bis er einen fand, wo er 50-Rappen erben konnte.

Das Meisterstück bot er an einem Samstagmorgen früh. Wir fuhren in ein Waldstück, angeblich um Rehe zu beobachten. Die akkuraten Holzbeigen fielen mir sofort ins Auge und ich wusste, der Kofferraum war diesmal peinlich geleert. Er war sehr geübt darin, die richtigen Scheite aus der Beige hervorzuziehen, ohne die blaue Sprayfarbe, nennen wir sie ‘Antidieblinie’, zu fest zu verschieben und füllte den Wagen auf. Der grosse Streit war da.

Meine Welt war eindeutig eine andere und ich wollte mich nicht auf Kosten anderer berei-chern. Geiz und Diebstahl waren mir in dieser Form ebenfalls fremd und sollten mir fern blei-ben. Wir trennten uns nach wenigen Monaten erstaunlich einvernehmlich. Ich war für ihn näm-lich auch eine Enttäuschung und nicht die, die mit ihm sein Sparen teilen wollte und dieses wog mehr.

Obwohl ich zwischenzeitlich meine definitive Stelle angetreten hatte, hielt ich meine Kolle-ginnen des Temporärengagements auf dem Laufenden und diese staunten nicht schlecht über mein Erlebtes. Ja, jeder macht seine eigenen Erfahrungen.

Maria von Ballmoos, 4.9.2018

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