Das Zittern hatte aufgehört, doch ihr Körper war immer noch heiss. Ihre Wangen fühlten sich rau an, nun da ihre Augen trocken waren. Sie atmete langsam, tief und geräuschvoll. Das dämmerige Licht blendete sie nicht mehr, im Gegenteil: Nun empfand sie es als ganz angenehm. So fühlte sie sich weniger allein.

In der weissen Fläche der Zimmerdecke über ihr, sah sie ihn. Wenn sie die Augen schloss, sah sie ihn noch deutlicher. So lange sie wach blieb, verschwamm alles zu einer einzigen Wolke. Wie der grauweisse Nebel, der im Wasser des Eimers entstanden war, als sie die Klinge ausgespült hatte. Sie hob den Plastikgriff wieder an und zog die Klinge mit sorgfältigen Bewegungen zum zweiten Mal über seinen Schädel. So verfuhr sie, bis die Haut auf seinem ganzen Kopf glatt war wie Seide.

War, sie war so verfahren. Das alles war Vergangenheit. Sie strich mit der Hand über den Stoff des Bettbezuges, wie damals über seinen Kopf. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Wie sein Lächeln, herausfordernd und verschmitzt; Das Lächeln, das ihnen gemeinsam war. Sie dachte an die Eigenschaften, die sie verbanden. Verbunden hatten. Aber ihr Bettzeug war nicht aus Seide und fühlte sich auch eher rau als glatt an. Sie musste es bald waschen, doch nicht heute.

Mit einem weiteren, lauten Atemzug sog sie Luft ein, so viel sie konnte. Noch einmal. Wenn Sie ihn doch nur noch einmal hätte berühren können, noch ein einziges Mal, für ein paar Stunden nur. Sie hörte auf, über den Stoff zu streichen. In dieser Nacht war sie allein und das würde sie auch für die nächsten Tage und Wochen bleiben. Es verlangte ihr eine Menge Kraft ab, aber sie konzentrierte sich und setzte sich schliesslich auf. Sie stand auf und nahm ihr Handy.

Sie hatte sich vorgenommen, ihm nicht zu schreiben und daran würde sie sich auch halten. Letzten Endes hatte es einen Grund für ihren letzten Streit gegeben. Einen Grund, warum sie sich auf dem Absatz umgedreht und nicht zurückgeblickt hatte. Bis heute. Sie durfte sich keine Schwäche erlauben, nicht jetzt. Nicht, nachdem sie soweit gekommen war. Sie öffnete ein Nachrichtenprogramm und wählte die Nummer ihrer Assistentin: «Ist alles bereit für die Präsentation morgen?», tippte sie ein.

Bereits nach wenigen Sekunden, kam die Antwort: «Ja, habe dir die Unterlagen per Mail geschickt.»

Sie atmete tief durch, stand auf und ging ins Wohnzimmer. Dort schaltete sie ihren Computer ein und sah die Unterlagen durch.

Die Gedanken an ihn liess sie im Schlafzimmer zurück. Der Schmerz würde vergehen und die Sehnsucht auch. Alles würde verblassen bis es nur noch eine vage Erinnerung war. Wie eine Wolke im Wasser.